Stadtmobiliar und Kleinbauten als kulturelles Erbe – Studierendenarbeiten

Parkbank und Würstelstand

Wahlseminar Denkmal + Stadt
5 ECTS
Studierendenarbeiten
Wintersemester 2023/24

Betreuung:
Sophie STACKMANN

Auf den ersten Blick sind Objekte wie Poller, Mülleimer, Bänke, Brunnen, öffentliche Toiletten oder Würstelstände zwar in großer Zahl im Stadtraum vorhanden, doch verglichen mit großen repräsentativen und architektonisch aufwendig gestalteten Bauten scheinen sie eher von marginaler Bedeutung für ein Stadtbild zu sein. Dennoch prägen Stadtmobiliar und Kleinbauten maßgeblich das alltägliche Leben. Beispielsweise stellen Bänke erholsame Sitzgelegenheiten dar, Würstelstände bieten Erfrischungen an oder Poller regeln den Verkehrsfluss. Auf diese Weise haben Stadtmobiliar und Kleinbauten vielfältige praktische Funktionen und dienen oftmals auch als soziale Treffpunkte. Stadtmobiliar und Kleinbauten prägen aber nicht nur den praktischen Alltag einer Stadt, ihnen werden auch kulturelle Bedeutungen zugeschrieben und als kulturelles Erbe etwa unter Denkmalschutz gestellt. Im Seminar untersuchten wir mit unterschiedlichen Methoden diese nur augenscheinliche randständigen Objekte in ihren historischen und gegenwärtigen Bedeutungen für die Stadt Wien und sein kulturelles Erbe. Aspekte wie die architektonischen und räumlichen Qualitäten, die Nutzung des Mobiliars und seine Denkmalwerte wurden thematisiert und in Seminararbeiten anhand einzelner Möbel wie öffentlicher Bedürfnisanstalten, Straßenbelechtung oder Kiosken aufgearbeitet.

Dabei spielten auch Mechanismen des sozialen Ein- und Ausschlusses eine entscheidende Rolle. Denn das Stadtmobiliar ist Teil des öffentlichen Raums, der historisch als ein Ort konzipiert wurde, an dem die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft definiert und Gemeinschaft praktiziert wird. Somit knüpfen sich an die Betrachtung von Stadtmobiliar und Kleinbauten als ein Erbe der Stadt auch Fragen danach an, wie öffentlicher Raum zu unterschiedlichen Zeiten verstanden wurde und welche Konsequenzen diese Re-Figurationen des öffentlichen Raums für die Teilhabe der Menschen an der Gesellschaft haben.

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DER WIENER ZEITUNGSKIOSK
Vom alltäglichen Stadtmobiliar zum Relikt der Vergangenheit
Petru Catuna-Boca

Innerhalb der Seminararbeit wurde die historische Entwicklung von Zeitungskiosken in der Stadt Wien bis in die Gegenwart betrachtet. Grundlegend war hier die Beobachtung, dass die Kioske sich zunächst großer Beliebtheit bei der Stadtbevölkerung erfreuten und an vielen Orten in der Stadt aufgestellt wurden. Durch politische Umbrüche und sich wandelnde Medien wurden die Kioske mit der Zeit aus dem Stadtraum verdrängt und im Lauf der Zeit von Alltagsobjekten zu historischen Relikten. Die Seminararbeit analysierte diese Entwicklung ausgehend von der bestehenden Forschungsstand, die sich primär mit Zeitungskiosken in anderen Städten befasste, und ergänzte diese mit zahlreichen Erkenntnissen Wiener Entwicklung von Zeitungskiosken. Grundlegend war hier die Arbeit mit historischen Plänen und Archivdokumenten. Eine denkmalpflegerische Bewertung der letzten beiden bestehenden Zeitungskioske in Wien ergänzte diese Erkenntnisse.

Zunächst wurde die Etablierung von Zeitungskiosken in Wien im 19. Jahrhundert durch die politische Zensur der schriftlichen Presse, die fehlende Strukturierung des öffentlichen Raums durch Stadtmobiliar und das damals bürgerliches Zielpublikum der Tageszeitungen eingeschränkt. Eine Massenpresse entwickelte sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erlaubte die Wiener Stadtregierung Unternehmen wie Morawa & Co erstmals Zeitungskioske in größerer Anzahl in der Stadt zu errichten. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 nutzte Adolf Hitler und das nationalsozialistische Regime die Zeitungkioske für ihre Propaganda bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Als nach 1945 wieder erste Zeitungskioske errichtet wurden, empfanden viele Wiener*innen die Ästhetik der Buden als einen störenden Eingriff in die Ästhetik des Stadtbildes. Daher entstand in den 1960er Jahren erstmals eine einheitliche Gestaltung der Kioske. Mit dem Durchbruch schnellerer Medienformen wie Radio, Fernsehen und Internet sowie aufgrund negativer Verkaufszahlen der Zeitungen verschwanden ab den 1960er Jahren mit Ausnahme von zwei Kiosken alle Zeitungskiosks von den Straßen Wiens.

Beide Kiosks stellen Objekte mit historischer Bedeutung für die Stadt Wien dar und erinnern an eine kulturelle Praxis, die in der Stadt ausgestorben ist, nämlich den Verkauf von Zeitungen auf der Straße von Kiosken aus. Aus denkmalpflegerischer Perspektive sind die letzten beiden verbliebenen Kioske wichtige Zeugnisse der Geschichte des Wiener Stadtmobiliars, denen unterschiedliche Denkmalwerte zugeschrieben werden können. Der Erhalt dieser Objekte für zukünftige Generationen erscheint daher von größter Bedeutung. Der erste Schritt den Erhalt der Kioske zu gewährleisten, könnte eine Sensibilisierung der Eigentümer*innen für die Denkmalwerte der Kioske sein. Konkret könnten beiden Kiosks von einer Unterschutzstellung profitieren, da sie dadurch vor Veränderungen oder Zerstörung geschützt würden und ihr Zustand so erhalten bleiben würde, wie wir ihn heute sehen.