Michael Dragschitz 2022
Von Korn und Kalk – Aufarbeitung eines burgenländischen Zeitzeugen
In Wulkaprodersdorf (Bezirk Eisenstadt), einst ein Straßendorf bebaut mit typischen burgenländischen Streckhöfen, befindet sich auf einem ehemaligen Hof ein Zeitzeuge vergangener Tage. Das Gebäude ist typisch in seiner Gliederung aber gänzlich untypisch in seiner Ausformulierung und übersteigt sowohl in der Breite als auch in der Höhe die angrenzenden ebenerdigen und giebelständigen ehemaligen Wirtschaftsgebäude des Hofes.
Der Baukörper verfügt über einen halb versenkten Keller, ein erhöht liegendes Hauptgeschoß und einen Dachboden. Der Keller, mit Sandstein gemauert, gliedert sich in ein dreischiffiges Tonnengewölbe mit Stichkappen hin zu Lüftungsöffnungen. Das Hauptgeschoß, über eine einläufige Außentreppe erschlossen, beherbergt drei Räume, den Vorraum mit einer ehemaligen Rauchkuchl und zwei weitere Zimmer. Die Räume wurden die letzten Jahrzehnte nur als Lagerfläche genutzt und so wurde der Zustand der vergangenen Epochen im Inneren unverändert beibehalten. Die Walztechnicken an den Wänden und Wanddruchbrüche zum Rauchfang zeigen aber, dass diese Räume früher nicht nur als Lagerfläche dienten, sondern auch beheizbar waren. Die Fassade des Gebäudes wurde vor rund 25 Jahren überarbeitet, dabei wurden viele vorhandene Details gänzlich mit Putz überzogen. Durch schadhafte Stellen in der Fassade lassen sich jedoch Fensterbänke, Stürze und Säulen, die das Vordach zum Eingang tragen, aus gestocktem Sandstein erahnen, sowie ein Relief mit einer Figur, die einen Sack über die Schulter geworfen trägt.
Zu dem Gebäude sind im lokalen Umkreis und der Gemeinde kaum Informationen zu finden, es wurde stets in seiner Form einfach so hingenommen und nie hinterfragt. Durch die verborgende Lage des Gebäudes im Inneren eines Hofes, war es wahrscheinlich die längste Zeit unbemerkt geblieben. Nähere Recherchen haben ergeben, dass im Ort um ca. 1860 noch vier Mühlen vorhanden waren, da sich das Gebäude nur rund 150 Meter vom Bach entfernt befindet, könnte man daraus schließen das hier ein Müller gewohnt hat?
Es stellen sich Fragen zum zeitlichen Ursprung des Baus, ebenso zur damaligen Nutzung, einer vielleicht später unterschiedlichen Nutzung, einer möglichen sozialen Funktion im Ort und natürlich die Frage, was soll und kann mit dem Gebäude in Zukunft passieren? Wie soll und kann es genutzt werden und zugleich aber auch möglichst unverändert erhalten bleiben?