PAUL EBNER 2023
Das heutige Burgenland war immer Grenzland – zwischen Österreich und Ungarn, zwischen Bergen und Ebenen, zwischen West- und Osteuropa. Dieses Grenzland war aber auch immer schon ein Berührungsraum, ein Ort der Begegnungen, des Überganges und des Austausches. Eine Region gestaltet vom stetigen Wandel und von Veränderungen. Auch das Franziskanerkloster in Güssing ist geprägt vom Wandel dieser Region im Laufe der Geschichte. Einst als Augustinerkloster um 1500 errichtet, war der Dreiflügelbau aus dem 17. Jahrhundert lange Bestandteil der Stadtbefestigung. Die Nutzung des Gebäudes änderte sich über die Jahrhunderte immer wieder – mal war es Kloster, mal beherbergte es zur Zeit der Reformation sogar eines der ersten Gymnasien. Inzwischen sind die Zeiten lange vergangen, in denen dutzende Mönche das Gebäude und das Klostergelände belebten und bewirtschafteten. Heute leben nur noch vier Ordensleute im Kloster und betreuen die Pfarre samt Basilika. Hinter den Mauern befinden sich jedoch immer noch viele kunsthistorische Schätze. Neben der Familiengruft der Batthyánys, stellt die historische Bibliothek der Franziskaner ein besonderes Juwel dar. Zahlreiche mittelalterliche Handschriften und Bücher – gesammelt von den Fürsten Batthyány aus der Zeit der Reformation und Gegenreformation – sowie wertvolle Inkunabeln sind Zeugen der Hochblüte Güssings im 16. und 17. Jahrhundert, als sich Künstler und Wissenschafter am Hofe des Fürsten tummelten. Aber schon seit Jahrzehnten sind diese Schätze in einem Notquartier im Kloster untergebracht: ein Viertel des Kreuzganges im Obergeschoß wurde abgemauert und notdürftig zur Lagerung dieser Bücher eingerichtet.
All das über einen längeren Zeitraum betrachtend stellt sich die Frage, wie das Gebäude samt seinen kulturhistorischen Schätzen zukünftig durch eine adäquate Nutzung bewahrt werden kann. Wie kann dem Wandel der Gesellschaft und den daraus resultierenden neuen Herausforderungen Rechnung getragen werden? Kann durch eine neue, geeignete Nutzung das historische Gebäude wieder Ort der Begegnung zwischen Religionen und Kulturen, Ost und West, Kunst und Wissenschaft werden? Wie kann dieses das Stadtbild und die Stadtbewohner prägende Bauwerk – auch als Grenze zwischen Alt und Neu – wieder an nachhaltiger Bedeutung gewinnen? Wird es eine sinnvolle, post-klerikale Nutzung des Gebäudes und seiner kunsthistorischen Schätze geben können