Rene Kaspar 2022
Die Marmeladenfabrik in Tribuswinkel – Ein stiller Zeitzeuge industrieller Vielfalt
Unmittelbar an der Grenze zwischen den niederösterreichischen Stadtgemeinden Baden und Traiskirchen befindet sich das Areal der ehemaligen Marmeladenfabrik. Der umfangreiche Gebäudekomplex erstreckt sich an der Kreuzung zwischen Wiener Neustädter Kanal und Mühlbach in der Ortschaft Tribuswinkel, von deren Einwohnerinnen und Einwohnern die Fabrik seit jeher liebevoll nur „die Marmelad“ genannt wird.
Von 1908 bis 1909 wurde erstmals auf dem neben einem Steinwerk gelegenen Grundstück ein pharmazeutisch-chemisches Labor errichtet, welches gegen Ende des Ersten Weltkrieges durch den Unternehmer Mor Fekete zu einem Großbetrieb für die industrielle Produktion von Marmeladen, Trockenfrüchten und Nahrungskonserven ausgebaut wurde. Im Laufe seiner Geschichte diente das Objekt jedoch nicht nur der Herstellung von Lebensmitteln, sondern auch von Textilien, Holzwerkstoffen und Bleiwaren, um nur einige der wichtigsten Beispiele zu nennen. Die Nutzungsgeschichte der Anlage erweist sich als derartig abwechslungsreich und heterogen, dass es beinahe unmöglich erscheint, sie lückenlos zu erfassen und darzustellen.
Heute befindet sich Marmeladenfabrik in einem Dornröschenschlaf. Einige Teile werden noch zu Wohnzwecken genutzt, andere dienen zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern als Atelier oder kleinen Betrieben als Werk- und Lagerstätte. Jene Bereiche der Liegenschaft, welche aktuell im Eigentum der Stadtgemeinde Traiskirchen stehen, wurden von der Natur zum Teil bereits wieder zurückerobert und befinden sich in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Da sich im Laufe der Zeit ein Konglomerat unterschiedlichster Kleinstnutzungen sowie ein von außen weitestgehend unbeeinflusstes soziales Gefüge entwickelt hat, wird von baulichen Eingriffen derzeit noch Abstand genommen, bis ein klares Zukunftskonzept für das Gelände vorliegt.
Die gegenständliche Arbeit versucht erstmals, ein ganzheitliches Bild der betrieblichen sowie baulichen Geschichte der Industrieanlage zu skizzieren. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten für ein denkmalpflegerisches Konzept, eine Revitalisierung und eine architektonische sowie städtebauliche Vision aufgezeigt werden, an der sich zukünftige Planerinnen und Planer orientieren können. Es lässt sich jedoch bereits zu Beginn erkennen, dass es sich bei der Marmeladenfabrik aufgrund ihrer abwechslungsreichen Geschichte um ein besonders außergewöhnliches Industriedenkmal handelt, dessen historische Bedeutung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte.